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Hast du dich schon einmal gefragt, wie du erzogen worden bist? Gab es einen Rahmen, innerhalb dessen du dich frei bewegen konntest, oder gab es klare Regeln, an die du dich ausnahmslos halten musstest? Gab es Konsequenzen in Form von Strafen?
Durftest du auch einmal deinen Willen durchsetzen oder wurde ein „nein“ von dir nicht akzeptiert, egal, in welchem Alter? Oder hast du es gar nicht erst versucht? Hattest du das Gefühl, dass deine Eltern Vertrauen in dich und deine Entscheidungen hatten, oder hast du noch bis weit ins Erwachsenenalter hinein gehört „das ist nichts für dich“?
Hast du eine ungefähre Vorstellung davon, welche Aspekte deiner Erziehung auch heute noch greifen? Fällt es dir zum Beispiel schwer, dich mit Autoritäten auseinanderzusetzen? Oder dich an Regeln zu halten? Vom ersten Tag an werden wir geprägt von den Menschen, die uns aufziehen. Ihre Vorstellung von Erziehung, ihre eigenen Erfahrungen und Werte haben uns zu dem Menschen gemacht, der wir heute sind.
Auch, oder gerade wenn wir mit dem Erziehungsstil nicht einverstanden waren, hat er uns doch beeinflusst. Ich hatte das große Glück, sehr frei erzogen worden zu sein. Meine Eltern hatten großes Vertrauen in mich und ließen mich auch ohne Beeinflussung eigene, wenn auch teils schmerzhafte, Erfahrungen machen.
Deshalb ist es für mich unvorstellbar, dass meine Eltern mir noch als Erwachsene unaufgefordert Ratschläge für meine Lebensführung gegeben, für mich Entscheidungen getroffen oder durch emotionale Erpressung ein bestimmtes Verhalten erzwungen hätten, aber ich erlebe die Folgen dieses falsch verstandenen Verantwortungsgefühls immer wieder in meiner Praxis.
Ab einem gewissen Alter steht es uns vom Gesetz her frei, unser Leben so zu leben, wie WIR es für richtig halten. Dennoch spielen die Erwartungen und Vorgaben der Eltern oft bis weit darüber hinaus eine große Rolle, und die Folgen davon sind weitreichend: der Selbstwert der erwachsenen Kinder leidet, weil sie nie oder sehr selten erlebt haben, dass sie alleine etwas bewirken können. Dass der eigene Wille zählt und Gewicht hat. Sie fühlen sich abhängig und klein.
Wenn ich als Kind nicht erlebt habe, dass ich auch einmal nein sagen darf, dass ich selbst entscheiden darf, was ich essen oder anziehen möchte und wer meine Freunde sind, verliere ich vermutlich das Gefühl dafür, wer ich selbst bin. Die Grenze zwischen mir und anderen Menschen verschwimmt und ich werde mich häufig verantwortlich fühlen für Gefühle und Erwartungen anderer. Selten aber für die eigenen.
Eltern, die ihre erwachsenen Kinder kontrollieren, haben häufig selbst mit einem geringen Selbstwert zu kämpfen, mit dem Gefühl von Kontroll- und Machtverlust. Und es ist sehr schwer für die Kinder, auszubrechen. Aus dem Gefühl heraus, den Eltern Dankbarkeit zu schulden, ihnen nicht weh zu tun, oder schlicht weil man nie gelernt hat, sich durchzusetzen.
Der Psychoanalytiker Bert Hellinger hat gesagt, jeder Elternteil gibt immer 100% - egal, ob es sich für das Kind anfühlt wie nur 20% oder wie 150% und dem stimme ich zu. Eltern geben das weiter, was sie selbst gelernt haben, wie sie selbst erzogen wurden oder genau gegenteilig von dem, wie sie selbst es erlebt haben.
Wir dürfen unseren Eltern dankbar sein für die Erfahrungen, die wir durch sie machen durften. Aber wir haben es selbst in der Hand, diesen Weg weiterzugehen, weil wir ihn für richtig halten, oder aber unsere ganz eigene, persönliche Richtung auszuprobieren.