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Der Zahn der Zeit

Der Zahn der Zeit

Samstag, Oktober 2, 2021

Heute beim Frühstück schaut mein Partner mich an und sagt „in drei Jahren wirst du 50, wie arg ist das bitte?“. Als wäre das nicht schon genug, trage ich seit gestern eine Kniebandage. Nicht besonders sexy, aber notwendig, weil ich seit ein paar Tagen Knieschmerzen habe.

Das nervt mich. Erstens, weil ich Schmerzen habe, zweitens, weil mir wieder einmal deutlich vor Augen geführt wird, dass mein Körper nicht mehr ganz so belastbar ist, wie er einmal war. Nicht falsch verstehen, es gibt Tage, da fühle ich mich wie 20. Aber manchmal auch wie 70. Wenn mich die Bandscheiben wieder quälen, dann möchte ich mir eigentlich nicht zuschauen, auf meinem Weg vom Bett ins Bad. 

Warum ich das erzähle? Vor einiger Zeit habe ich eine Zusatzausbildung zur Trauerbegleiterin absolviert. In diesem Rahmen wurde besprochen, dass auch unsere natürliche Alterung Trauer auslösen kann. Ich war baff. Wenn man an das Wort „Trauer“ denkt, kommt uns als erstes der Tod eines lieben Menschen in den Sinn. Doch es ist so viel mehr.

Jede Änderung der Lebensumstände, die wir vielleicht nicht ändern können, kann Trauer auslösen. Eine Trennung, der Verlust eines Arbeitsplatzes, der Wohnung, eines Tieres... und auch alles, was mit unserem Körper zu tun hat.

Wir leben in einer Welt, in der der Jugend, jugendlichem Aussehen und Leistung viel Wert beigemessen ist. Umso schlimmer trifft es uns, wenn wir da nicht mehr ganz mitspielen können. Wir geliebte Tätigkeiten nicht mehr ausüben können, weil wir körperlich nicht mehr dazu in der Lage sind, ob aus einer Krankheit oder dem normalen Alterungsprozess heraus.

Vielleicht kümmern wir uns oft so penibel darum, die äußeren Anzeichen zu vertuschen, um zumindest nach außen den Schein zu wahren. Ein bisschen cremen, spritzen, straffen, färben. Um uns darüber hinweg zu täuschen, dass der Zahn der Zeit trotzdem unweigerlich an uns nagt.

Was könnten wir nun tun, wenn wir dennoch traurig sind, weil sich die Zeichen mehren? Ich für mich versuche, besonders liebevoll mit mir zu sein. Mir Pausen zu gönnen, wenn ich sie brauche. Mich zu hegen und zu pflegen. Mich zu freuen über die guten Tage, an denen alles ist wie früher.

Meinem Körper dankbar zu sein, dass er mich durch das Leben trägt, und vor allem: mich am Leben zu freuen. Zu lachen, mich mit lieben Menschen umgeben, neugierig bleiben. Unser Geist kann für immer jung bleiben, und wenn es uns gelingt, dass wir unser Strahlen behalten, dann ist es wurscht, wie viele Falten wir haben, ob wir am Stock gehen, oder ob wir eine Kniebandage tragen.

Wenn du allerdings ein bisschen in der Traurigkeit feststeckst, dann melde dich bitte - ich unterstütze dich gerne :-)

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